Postmoderne Literatur – die Nachmoderne
Postmoderne Literatur – die Literatur der Nachmoderne. Der Name scheint schon ein Widerspruch in sich zu sein. Wie kann etwas nach der Moderne kommen? Ist die Moderne nicht das Jetzt, der gegenwärtige Moment, der Status quo, das Neuste vom Neusten? Per Definition schon: Das Wort „Moderne“ leitet sich vom lateinischen Begriff „modernus“ ab und bedeutet „neu“, beziehungsweise „gegenwärtig“. Trotz der offensichtlichen Ähnlichkeit hat die Moderne aber nichts mit der „Mode“ zu tun und ist deshalb auch nicht mit „zeitgenössisch“ gleichzusetzen. Dennoch gab es einen Moment, in dem man den Anker warf und die Kunst und Literatur dieser Epoche der Moderne zuordnete. Damit wurde die Moderne, als gedankliches Konstrukt, als hypothetisches Konzept, zu einer Epoche. Die gesamte Literaturgeschichte lässt sich in solche Literaturepochen untergliedern. Das ist also erst einmal nichts Ungewöhnliches. Epoche folgt auf Epoche, der Sturm und Drang löste die Aufklärung als vorherrschende Strömung ab, die Klassik die Romantik, die Moderne den Historismus. Und dann? Was kann nach der Moderne noch kommen? Kann die Gegenwart sich selbst überholen und damit zur Postmoderne werden?
Lesen Sie in diesen Sachbüchern mehr über die Postmoderne in der Literatur:
- Moderne / Postmoderne
- Postmoderne
- Postmoderne und Dekonstruktion: Texte französischer Philosophen der Gegenwart
- Postmoderne und postkoloniale deutschsprachige Literatur: Diskurs - Analyse - Kritik
- Unsere postmoderne Moderne
Kann es postmoderne Literatur überhaupt geben?
In der Kunst und Literatur muss die Antwort zwangsläufig „ja“ lauten, denn ein Stillstand ist unmöglich. Aktion und Reaktion sorgen dafür, dass sich beide ständig weiterentwickeln. Das Konzept der Literaturepochen beinhaltet eben auch, dass jede Epoche kennzeichnende Merkmale aufweist, die in allen Werken in der einen oder anderen Form zu finden sind. Ohne Gemeinsamkeiten gibt es keine Literaturepochen. Doch wie ein Fluss immer wieder durch neues Wasser gespeist wird, so gelangen auch immer wieder neue Einflüsse in die Literatur, die sich dadurch verändert. Gemeinsamkeiten sind also immer nur für einen gewissen Zeitraum möglich. Und so ist es dann tatsächlich zu erklären, dass es so etwas wie postmoderne Literatur überhaupt gibt. Sie entstand zwangsläufig dadurch, dass sich die Merkmale der Moderne verwässerten und nach und nach verschwanden. Abgelöst werden konnten sie nur durch die Postmoderne. Denn nach der Moderne kann nur eines kommen: die postmoderne Literatur. Wodurch aber kennzeichnet sich diese Epoche? Worin unterscheidet sie sich von der Moderne?
Die Moderne wird in der Literaturgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt, eine Zeit, in der der technische Fortschritt auf Hochtouren lief, in der nichts unmöglich zu sein schien und auch in den Geisteswissenschaften beachtliche Entwicklungen vonstattengingen. Man glaubte an die Zukunft, war voller Hoffnung, das neu begonnene Jahrhundert schien voller Verheißungen, alles war möglich. Neue Erkenntnisse in der Psychologie, in der Rezeptions- und Wirkungsforschung brachten Werke hervor, die durch Subjektivierung und Psychologisierung der Wirklichkeitserfahrung, das Zurücktreten der vermittelnden Erzählinstanz, ästhetische Selbstreflexivität und die Wiedergabe subjektiver Wahrnehmungs- und Bewusstseinsvorgänge gekennzeichnet waren. Die subjektive Wahrnehmung war die oberste Prämisse, der alles andere untergeordnet wurde. Beispielhaft stehen die Erzählungen Franz Kafkas, Döblins „Berlin Alexanderplatz“, als Prototyp der Großstadtlyrik, Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“, Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und die Werke von James Joyce für diese Epoche. Was geschah damit nun, als die postmoderne Literatur auf den Plan trat? Um das zu verstehen, ist es notwendig, den geschichtlichen Hintergrund der Postmoderne einmal kurz zu beleuchten.
Was kennzeichnet die postmoderne Literatur?
Den Beginn diese Epoche siedelt man etwa Mitte des 20. Jahrhunderts an. Die Welt hatte gerade den schrecklichsten und verheerendsten Krieg aller Zeiten erlebt, Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren; wer überlebt hatte, sah sich einer Welt in Trümmern gegenüber. Ein einfaches Anschließen an die Moderne war undenkbar. Nichts, was zuvor gegolten hatte, besaß jetzt noch Gültigkeit. Dementsprechend begegnen uns in der postmodernen Literatur immer wieder die gleichen Themen: der Verlust einer alten Ordnung, der darin implizierten Sicherheit und Geborgenheit und die existenzielle Gefahr. Stylistisch kommen Unsicherheit und Angst in einer nicht-linearen, fragmentarischen Erzählweise zum Ausdruck. Nichts hat mehr eine Ordnung, die Welt ist aus den Fugen geraten und jeder Mensch ist – so wie der Leser in den postmodernen Romanen – gezwungen, die Einzelteile selbst zusammenzufügen. Der Mensch wird zum Spielball im Weltgeschehen und auch im Roman der postmodernen Literatur ist der Protagonist in der Regel fremdgesteuert und konditioniert. Die Handlung wird nicht durch bewusste Entscheidungen des Helden bestimmt, sondern er fügt sich. Eine persönliche Entwicklung ist unmöglich. Das bedeutet auch, dass es keinen Sinn im Leben gibt, kein höheres Ziel, nach dem es zu streben lohnt. Der Zweite Weltkrieg hatte also eine Generation vollkommen desillusionierter Autoren hinterlassen.
Wo in der Moderne noch Hoffnung und Zuversicht gewesen waren, sah die postmoderne Literatur nur noch Scherbenhaufen. Sie hatte ihre Ideale verloren, glaubte an nichts mehr und war darin so schonungslos, dass es wehtat. Beispiele dafür sind William S. Burroughs „Naked Lunch“, Thomas Pynchons „V“, Don DeLillos „Weißes Rauschen“, aber auch Umberto Ecos „Der Name der Rose“, Michael Endes „Die unendliche Geschichte“, Walter Moers „Die Stadt der träumenden Bücher“, Patrick Süskinds „Das Parfum“ und „Schlafes Bruder“ von Robert Schneider. Eine vollständige Liste von Büchern der postmodernen Literatur aber ist undenkbar.
Der postmoderne Roman besitzt keine Trennschärfe, sodass die Zuordnung mehr oder weniger willkürlich erfolgt. Eine eindeutige Trennung der Postmoderne von anderen Literaturepochen ist beinahe unmöglich. Auch das ist letztendlich Ausdruck der vollkommenen Verlorenheit dieser Generation von Schriftstellern. Sie hat also auch kein klar definiertes Ende. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass wir uns noch immer in der Postmoderne befinden. Unsere Gegenwartsliteratur ist postmodern. Vielleicht glauben wir aber auch nur, dass sie kein Ende hat, weil es das Ende noch nicht gab. Irgendein einschneidendes Ereignis nämlich könnte auch der postmodernen Literatur ein Ende bereiten. Doch was kommt danach? Die Post-Postmoderne? Die Neo-Postmoderne? Oder gar nichts mehr?
Diese Bücher aus der Literaturepoche der Postmoderne empfehlen wir Ihnen:
- Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco
- Das Parfum von Patrick Süskind
- Der dritte Polizist von Flann O'Brien
- Der Name der Rose von Umberto Ecco
- Die Angst des Tormanns beim Elfmeter von Peter Handke
- Die Enden der Parabel von Thomas Pynchon
- Die Stadt der träumenden Bücher von Walter Moers
- Die unendliche Geschichte von Michael Ende
- Mason & Dixon von Thomas Pynchon
- Mond über Manhattan von Paul Auster
- Morbus Kitahara von Christoph Ransmayr
- Schlafes Bruder von Robert Schneider
- Stadt aus Glas von Paul Auster
- Unendlicher Spaß von David Foster Wallace
- Unterwelt von Don DeLillo
- Wenn ein Reisender in einer Winternacht von Italo Calvino
Postmoderne Lyrik kommt vor allem von André du Bouchet, einem französischen Dichter und Kunstkritiker. Zu seinen bedeutenden Werken gehören "Air" und "Dans la chaleur vacante". Sie wurden jedoch nicht ins Deutsche übersetzt.
Literaturtipp der Woche
Als der junge Daniel von seinem Vater zum „Friedhof der vergessenen Bücher“ mitgenommen wird, hat er keine Ahnung, dass dieser...
Top-Thema
Der Expressionismus in der Literatur ist dem bedingungslosen Ausdruck gewidmet: Das Subjekt soll seinen Platz in einer entmenschlichten Welt zurückerhalten. Vieles, was damals galt, kommt uns heute bekannt vor. Lesen Sie mehr.
Top-Thema
Der Naturalismus in der Literatur erkannte nichts an, was nicht wissenschaftlich beleg- und erklärbar war. Akribische Beschreibungen der Wirklichkeit waren das Ergebnis dieser Philosophie. Erfahren Sie hier mehr über die Literaturepoche des Naturalismus.