Thomas Mann
Thomas Mann (1875 – 1955) sagte einmal: „Der Ruhm zu Lebzeiten ist eine fragwürdige Sache; man tut gut, sich nicht davon blenden, sich kaum davon erregen zu lassen.“ Keine leichte Aufgabe, wenn man – wie Thomas Mann - zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Schon sein erster Roman, „Buddenbrooks“, wurde ein großer Erfolg und brachte Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur ein. Damals war er 54 Jahre alt und hatte gerade einmal 20 produktive und erfolgreiche Jahre hinter sich gebracht. Man darf also mit Fug und Recht behaupten, dass Thomas Mann schon zu Lebzeiten Ruhm erfuhr. Doch genauso gut kann man glauben, dass es ihm genetisch vorbestimmt war, so erfolgreich zu werden, denn Mann entstammt einer bedeutenden Schriftstellerfamilie: Nicht nur sein älterer Bruder Heinrich betätigte sich selbst als Autor, sondern auch drei seiner sechs Kinder (Erika, Klaus und Golo).
Der Name Mann wird also auf ewig eng mit der deutschen Literatur verbunden sein – und schuldet ihm einige ihrer schönsten Werke, darunter „Buddenbrooks“ und „Zauberberg“ von Thomas Mann. Das Schreiben hatte er im Blut: Schon früh begann der Sohn des Lübecker Kaufmanns Thomas Johann Heinrich Mann mit dem Schreiben. Als Sohn einer gutbürgerlichen Familie, die in den ersten Kreisen Lübecks verkehrte, verlebte er nicht nur eine glückliche und behütete Kindheit, sondern erhielt auch eine klassische Bildung. Doch die Schule langweilte ihn; er hielt sie für stumpfsinnig und wandte sich stattdessen der Arbeit an seinen Texten zu. Dabei war er keineswegs bescheiden. Mit 14 Jahren unterschrieb er einen Brief mit „Thomas Mann. Lyrisch-dramatischer Dichter“. Er wusste, was er wollte und verfolgte dieses Ziel ehrgeizig – auch dann noch, als sein Vormund, Krafft Tesdorf, nach dem Tod seines Vaters verfügte, er solle einen bürgerlichen Beruf ergreifen. Kurzzeitig zeigte Thomas Mann guten Willen und nahm eine Stelle als Volontär bei einer Versicherungsgesellschaft an, doch er langweilte sich, war unterfordert und angeödet. Sein Schriftstellerdebüt gab er 1894 mit der Novelle „Gefallen“. Die Veröffentlichung in einem literarischen Magazin war ein so großer Erfolg, dass sie nicht nur weitere Veröffentlichungen nach sich zog, sondern es dem jungen Thomas Mann auch erlaubte, seinen Bürojob zu kündigen.
Nach dem Erfolg der Texte wandte er sich dem Journalismus zu und veröffentlichte u.a. Beiträge in der nationalkonservativen Monatsschrift „Das Zwanzigste Jahrhundert“, die sein Bruder Heinrich Mann zeitweilig mit herausgab. 1896 gingen die beiden Brüder nach Italien. Dort entstanden zahlreiche Novellen und Romane Thomas Manns und auch ein Gemeinschaftswerk der Brüder Mann, das „Bilderbuch für artige Kinder“ mit parodistischen Kunstgedichten und eigenhändigen Zeichnungen. Leider gilt es seit der Emigration der Familie Mann 1933 als verschollen. In Italien begann Thomas Mann auch mit der Arbeit an den „Buddenbrooks“, seinem bekanntesten und erfolgreichsten Roman.Er wurde 1901 veröffentlicht, schaffte aber erst zwei Jahre später den Durchbruch. Dann aber sorgte der Roman für einen kleinen Skandal, weil sich viele Personen der Lübecker Öffentlichkeit darin karikiert fanden und zum Teil alles andere als begeistert von ihrer Darstellung waren. Doch ein Zitat, das von Thomas Mann überliefert ist, zeigt, dass er damit gut umgehen konnte: „Es ist schwer, es zugleich der Wahrheit und den Leuten recht zu machen.“
So oder so: Thomas Mann war schlagartig berühmt und erhielt für die „Buddenbrooks“ 1929 den Literaturnobelpreis. Doch das Verhältnis zwischen dem Autor und seinem Bruder litt darunter und sollte zeitlebens nicht mehr eng werden. Um die Wogen zu glätten und nicht noch mehr Grund zum Anstoß zu geben, entschied sich Thomas Mann 1904 zur Heirat mit Katia Pringsheim. Obwohl Thomas Manns homoerotische Neigungen eindeutig dokumentiert sind und in seinen Büchern auch immer wieder Niederschlag finden, entschied er sich mit der Hochzeit zu einem geordneten, bürgerlichen Leben. Über Thomas und Katja Mann als Eltern lesen Sie mehr in "Ich war immer verärgert, wenn ich ein Mädchen bekam: Die Eltern Katia und Thomas Mann" von Andrea Wüstner. 1913 begann Thomas Mann, inspiriert vom Sanatoriumsaufenthalt seiner Frau im schweizerischen Davos, mit dem als Novelle geplanten Text „Der Zauberberg“. Die Arbeiten an diesem Bildungsroman wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, waren aber bei der Erstveröffentlichung 1924 auf einen zweibändigen Roman angewachsen. Was Mann als „ausgedehnte Short Story“ bezeichnete, gilt heute als einer der meist gelesenen deutschen Romane überhaupt.
Dass er fünf Jahre später den Literaturnobelpreis erhielt, war für Thomas Mann keine Überraschung. Er war schon lange als einer der Favoriten gehandelt worden und spätestens seit 1927 davon überzeugt gewesen, er müsse ihn nun bald bekommen. Als es dann endlich soweit war, empfand Mann es als herbe Zurückweisung, dass sich das Komitee ausschließlich auf seinen ersten Roman „Buddenbrooks“ bezog und „Zauberberg“ vollkommen außer Acht ließ. Den Aufstieg der Nationalsozialisten beobachtete er - wie viele andere Intellektuelle auch – mit Besorgnis und Skepsis. Sein „Appell an die Vernunft“, der als „Deutsche Ansprache“ in die Geschichte einging und den er im Oktober 1930 in Berlin vortrug, bringt dies mehr als deutlich zum Ausdruck. Für ihn war der Nationalsozialismus „eine Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit“ mit „Massenkrampf, Budengeläut, Halleluja und derwischmäßigem Wiederholen monotoner Schlagworte, bis alles Schaum vor dem Munde hat.“ Unter großem Applaus wurde Thomas Mann so zu einem der wichtigsten Gegner der Nationalsozialisten.
Drei Jahre später kehrten Thomas und Katia Mann von einer Vortragsreise nicht nach München zurück. Da ist es sehr verwunderlich, dass die Werke Thomas Manns von der Bücherverbrennung verschont blieben. Nicht so jedoch die Bücher seines Bruders Heinrich und seines Sohnes Klaus Mann. Das Exil war für die Manns sowohl in finanzieller als auch in emotionaler Sicht ein harter Schlag. Über Frankreich (Sanary-sur-Mer) ging es in die Schweiz und schließlich in die USA. Bei seiner Ankunft in New York am 21. Februar 1938, sagte Mann einem Journalisten gegenüber: „Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“ Aus der Ferne beobachtete er mit Sorge, wie sich Deutschland dem Teufel verschrieb, dem Faschismus, und kreierte daraus eines seiner bedeutendsten Werke: „Doktor Faustus“. Der Roman kann sowohl der Exilliteratur als auch der Nachkriegsliteratur zugeordnet werden. Er tarnt sich als musiktheoretische Betrachtung, in der Dr. phil. Serenus Zeitblom mit Sorge beobachtet, wie sich sein Jugendfreund, der deutsche Tonsetzer Adrian Leverkühn dem Teufel verschreibt, der ihm im Tausch dafür künstlerisch schöpferische Genialität verheißt. In Wahrheit aber meint dieser Handel mit dem Teufel, ein typisches Faust-Motiv, wie es auch Goethe verwendete, die Auslieferung an den europäischen Faschismus in einem krankhaften Rausch. Manns „Doktor Faustus“ zählt heute zu den Werken der Weltliteratur.
1944 erhielten die Manns die amerikanische Staatsbürgerschaft. Als der Krieg zu Ende war und die meisten Schriftsteller aus dem Exil zurückkehrten, blieb Thomas Mann in Amerika. Er habe sich durch den Krieg von Deutschland entfremdet. Diese Aussage und Manns Weigerung zur Rückkehr führten zu einer tiefen Spaltung der Nachkriegsliteratur in Deutschland, die die zurückkehrenden Exilliteraten von den Dagebliebenen trennte. Erst Mitte der 50er Jahre kehrte er mit seiner Familie nach Europa zurück, zog in die Schweiz und stattete Deutschland jährliche Besuche ab, wo Thomas Mann im August 1955 an einem Durchbruch der unteren Bauchschlagader verstarb. In seiner Rede zur Feier seines 50. Geburtstags sagte Mann einmal: „Niemand von uns weiß, wie, in welchem Rang er vor der Nachwelt stehen, vor der Zeit bestehen wird. Wenn ich einen Wunsch für den Nachruhm meines Werkes habe, so ist es der, man möge davon sagen, daß es lebensfreundlich ist, obwohl es vom Tode weiß.“ Und so ist es gekommen.
Unsere Buchtipps - Diese Bücher von Thomas Mann empfehlen wir Ihnen:
- Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
- Buddenbrooks
- Der Tod in Venedig
- Doktor Faustus
- Der Zauberberg
- Joseph und seine Brüder
- Mario und der Zauberer - Ein tragisches Reiseerlebnis
Lesen Sie mehr über den Expressionismus in der Literatur, jene Epoche, der Thomas Mann zumeist zugeordnet wird. Empfehlenswert ist außerdem die Biografie "Thomas Mann und die Seinen" von Marcel Reich-Ranicki.