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Helmut Kohl

Helmut Kohl war 16 Jahre lang deutscher Bundeskanzler. (c) privatFür Helmut Kohl (Jahrgang 1930) seien Frieden und Freiheit das Herzstück Europas, schrieb Viktor Orbán, der ungarische Ministerpräsident, 2014 in seinem FAZ-Gastartikel, in dem er Kohls Buch „Aus Sorge um Europa: Ein Appell“ besprach. Und sie seien für ihn die „Grundvoraussetzung für alles andere: für Demokratie, den Schutz der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, soziale Stabilität und Wohlstand und für unsere Verantwortung über die Grenzen Europas hinaus für die Welt als Ganzes.“ Europa – das war das große Projekt des sechsten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, sein Lebenswerk. Heute gilt Helmut Kohl, der während seiner 16-jährigen Amtszeit (1982 – 1998) maßgeblich an der Deutschen Einheit und der Entstehung der EU beteiligt war, als „Kanzler der Einheit“ und wurde für seine Verdienste zum „Ehrenbürger Europas“ ernannt. Für Helmut Kohl war die europäische Idee kein utopisches Hirngespinst, sondern etwas, das man aktiv und engagiert vorantreiben musste, ein Projekt, ins Leben gerufen in dem „Bedürfnis, Frieden zu schaffen“, wie Orbán in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt. „Der sehr praktische Gedanke der europäischen Einheit wurde gerade im Gegensatz zu den gefährlichen und falschen Utopien des 20. Jahrhunderts geboren.“

Den Zweiten Weltkrieg hat Helmut Kohl, der in Ludwigshafen geboren wurde, schmerzhaft erfahren müssen. Sein großer Bruder Walter, den Kohl sehr verehrte, starb 1944 bei einem Tieffliegerangriff. Der Verlust sollte ihn fortan immer begleiten. Als Helmut Kohl im November 2014 sein Buch „Aus Sorge um Europa“ vorstellte, richtete er deshalb noch einmal sehr deutlich einen Friedensappell an die wartende Presse: „Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede; mein Bruder ist im Krieg gefallen.“ Im gleichen Jahr wurde der damals 14-jährige Helmut Kohl in einen Ludwigshafener Feuerlöschtrupp einberufen und kurz darauf per Kinderlandverschickung in den Odenwald und später nach Berchtesgaden gebracht. Hier erhielt er eine vollmilitärische Ausbildung, wie es 1944 für Kinder in der Hitlerjugend üblich war. Nach deren Abschluss war der Krieg jedoch vorbei und Kohl kam nicht mehr als Flakhelfer zum Einsatz. Nach dem Ende des Krieges machte er sich mit drei Schulkameraden von Berchtesgaden zu Fuß auf den Weg nach Ludwigshafen. Zurück in der Heimat absolvierte Helmut Kohl zunächst eine landwirtschaftliche Ausbildung, konnte aber 1950 sein Abitur nachholen. Anschließend studierte er in Frankfurt am Main und Heidelberg Rechtswissenschaften und Geschichte.

Bereits 1946 war Helmut Kohl der CDU beigetreten, ab 1947 trieb er maßgeblich die Entstehung der Jungen Union in Ludwigshafen voran. Auch während seines Studiums war er weiterhin politisch sehr aktiv, sodass sein Aufstieg in der jungen Partei nur eine Frage der Zeit war: 1966 wurde er Landesvorsitzender der CDU von Rheinland-Pfalz, ab 1969 Ministerpräsident des Landes und zwischen 1973 und 1998 Parteivorsitzender der CDU. Unter seiner Führung erhielt der Strukturwandel in dem damals noch sehr ländlich geprägten Rheinland-Pfalz enormen Auftrieb; die Gebietsreform, die Gründung der Universität Trier-Kaiserslautern und die Gründung von Gemeinschaftsschulen, die die alten Konfessionsschulen ersetzten, waren weitere Meilensteine seines Präsidialamtes. Nachdem Helmut Kohl 1973 Rainer Barzel als Vorsitzenden der CDU abgelöst hatte, war die Kanzlerkandidatur 1976 eine logische Konsequenz. Die CDU unterlag zwar der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP, Helmut Kohl konnte sich jedoch als Oppositionsführer behaupten. 1982 wählte ihn eine CDU/CSU-FDP-Koalition per Misstrauensvotum zum Bundeskanzler und bereitete damit den Weg für eine geistig-moralische Wende. Kohl wollte den Leistungsgedanken stärker betonen und sah die deutsche Wiedervereinigung als wichtigstes Ziel nach der europäischen Einigung. Er setzte den NATO-Nachrüstungsbeschluss durch, versöhnte Deutschland mit Frankreich unter François Mitterrand und wurde 1987 wiedergewählt.

Sein Treffen mit Erich Honecker im September 1987 gilt als wichtiger Wendepunkt in der Politik der zwei deutschen Staaten. Als erster Bundeskanzler unternahm Helmut Kohl daraufhin 1988 eine Privatreise in die DDR und bezeichnete diese Reise als „eine der bewegendsten seines Lebens“, wie Jan Schönfelder und Rainer Erices in ihrem Buch „Westbesuch: Die geheime DDR-Reise von Helmut Kohl“ schrieben. Nach dem Fall der Mauer legte Helmut Kohl im Alleingang ein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ vor und unterzeichnete 1990 den Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR. In den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier Alliierten-Mächten erwirkten Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Lothar de Maizière die Wiedervereinigung Deutschlands und die Aufnahme des vereinten Deutschlands in die NATO. Nachdem Helmut Kohl 1991 zum dritten Mal zum Bundeskanzler gewählt worden war, kämpfte er mit den wirtschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung, vor allem mit den hohen Arbeitslosenzahlen. Seine vierte Amtszeit – 1994 – 1998 – war dann von außenpolitischen Bestrebungen und dem Engagement für ein geeintes Europa geprägt.

1998 wurde Helmut Kohl von SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder abgelöst, dem Kohl später in seinem Buch „Aus Sorge um Europa“ schwerwiegende Fehler bei der Verwaltung seines politischen Vermächtnisses vorwarf. Auch bei der Einführung des Euro seien schwerwiegende Fehler gemacht worden. Kohl kritisierte seine politischen Erben außerdem dafür, Griechenland zu früh in die Eurozone aufgenommen und den Euro-Stabilitätspakt aufgeweicht zu haben. Das Nein der rot-grünen Bundesregierung zu den USA vor dem Irakkrieg hielt Kohl ebenfalls für einen Fehler. Die Koalition habe damals die Kriegsangst der Deutschen politisch instrumentalisiert. "Es ist der seit 1945 bis heute gravierendste Vertrauensbruch einer deutschen Regierung im Rahmen der freien, westlichen Welt und Wertegemeinschaft." Das Handelsblatt kommentierte das Buch, das für viel Aufsehen sorgte, mit den Worten: „Helmut Kohl äußert sich nur selten in der Öffentlichkeit. Wenn er es dann doch tut - wie mit seinen Büchern - werden seine Äußerungen von der Öffentlichkeit mit Spannung erwartet.“ Und tatsächlich: Die Pressekonferenz, die der 84-jährige Helmut Kohl im November 2014 im Rollstuhl sitzend und teilweise kaum verständlich, begleitet und unterstützt von seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter gab, sorgte für ein überwältigendes Medien-Echo. Es hieß, Kohl habe sich damit die Deutungshoheit über sein politisches Vermächtnis zurückgeholt.

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